Mai 2002 – Schicksalstage des Tiroler Traditionsvereins

Der Mai 2002 war wohl unweigerlich einer der bedeutendsten Monate in der Vereinsgeschichte. Zuerst wurde dem FC Tirol von der Österreichischen Bundesliga die Spiellizenz 2002/03 erteilt, mit den Auflagen 4,5 Millionen Schilling plus ein Sanierungskonzept auf die Beine zu stellen. Aufatmen unter den Tiroler Fußballfans. Das sollte doch machbar sein. Aber Präsident Othmar Bruckmüller, der zuvor eine Generalhaftung unterschrieben hatte, ging komplett auf Tauchstation. Wie vom Erdboden verschluckt. Finanzvorstand Bloder blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten um die Haftung einzufordern. Was machte aber Manager Robert Hochstaffel indessen?

Der blieb davon relativ unbeeindruckt und verhandelte mit einem Spieler aus Brasilien. Mündlich war man sich mit dem Sambatänzer vom Zuckerhut schon einig gewesen, währenddessen sämtliche Kaderspieler des damaligen FC Tirol seit Monaten auf ihre Gehälter warteten. Sämtliche Fristen verstrichen und wurden von den Verantwortlichen des FCT ignoriert. So auch die Frist der Bundesliga und somit war der Entzug der Lizenz nicht mehr zu verhindern gewesen. Der FC Tirol war insolvent, und es blieb nichts mehr anderes übrig als Konkurs anzumelden.

Depression pur

Aus, Schluss und vorbei. Jahrzehntelange und neue Anhänger standen ohne ihren Verein da. Dieser wurde ihnen genommen von unverantwortlichen Managern, welche hoch pokerten und alles verloren. Auch etwa 160 Nachwuchskicker waren plötzlich vereinslos. Darunter auch einige, die unter „echten“ schwarz-grünen Farben groß geworden waren, bis der FC Wacker Innsbruck von Fritz Schwab mit dem FC Tirol „zwangsbeglückt“ wurde. Beim Manager des Vereins Robert Hochstaffel klickten die Handschellen. Später sollten für die heiligen drei Könige vom Tivoli (Kerscher, Bruckmüller und Hochstaffel) Gerichtsverhandlungen mit Verurteilungen folgen. In den Verfahren kamen noch einige Schmankerln und „Leichen im Keller“ zu Tage.

Aber am Tivoli herrschte unterdessen die pure Depression. Zur Abschiedskundgebung unter der Moderation von Kult-Radiomoderator Rainer Dirkes am 2 Juni 2002 kamen etwa 2000 Fans. Es flossen Tränen. Grabkerzen wurden aufgestellt und am Aufgang zum Büro ein Grabkreuz errichtet. Gleichzeitig mit dem „großen“ FC Tirol war auch dessen Nachwuchs-Akademie, damals BNZ, geschichte und dem Tiroler Fußballverband einverleibt. Eine Tatsache, welche uns heute noch verfolgt.

Auferstehung

Bald wurde hinter den Kulissen an einer Fortsetzung des Fußballs am Tivoli gebastelt. Ein Gerücht wurde laut, dass sich Trainer Jogi Löw bereit erklären würde, mit einer Mannschaft einen Neustart in Angriff zu nehmen. Darunter wären aber etwa sieben arrivierte Profis geplant gewesen, was nicht finanzierbar gewesen wäre. Aber selbst einem Mann, wie dem Jogi ging dieses Ende seines Vereins sehr nahe. Unter Tränen meinte er, in einem Gasthaus zu den Fans, „dieser Verein darf nicht untergehen“.

Der SV Wörgl war als Partner der Innsbrucker auch lange im Gespräch gewesen. Ihr Manager Manfred Gombasch absolvierte für den FC Wacker Innsbruck zwischen 1971 bis 1978 171 Pflichtspiele für die Schwarz-Grünen. Das „Rennen“ machten aber die Wattener. Die Werksportgemeinschaft Swarovski Wattens stellte nicht nur ihre Kampfmannschaft, in der ohnehin etliche Kooperationsspieler des Bundeslisten standen, zur Verfügung, auch dessen Trainer Michael Streiter übersiedelte 13 Kilometer weiter in den Westen nach Innsbruck. FC Tirol Kult-Verteidiger Robert Watzinger hatte ohnehin schon für seinen Heimverein, die WSG Wattens unterschrieben und mit Alfred Hörnagl als Leithammel sollte die junge Truppe um Streiter noch für richtig Furore sorgen. Dazu wurde noch mit Sammy Koejoe ein Ex-Bundesligaspieler geholt. Die Mission „Auferstehung“ konnte beginnen.

Irrglauben

Fehlte eigentlich nur mehr der richtige Name. Tivoli und Wacker sind einst untrennbar miteinander verbunden gewesen. (Wurde während der „Tirol“ Zeit am Tivoli, von der Nordtribüne im „Grabstein“-Lied auch so besungen) Ist ja nichts näher gelegen, als diese Tradition fortzusetzen. Der neue Verein sollte FC Wacker Tirol heißen. Und vorerst als Spielgemeinschaft Wattens/Wacker spielen. Ein Aufschrei – warum nicht gleich zurück zu den Wurzeln? Immerhin hatte eine Umfrage der Tiroler Tageszeitung ein eindeutiges Votum für Wacker Innsbruck als neuen Namen ergeben.

Die Begründung: Auf Drängen der Geburtshelfer aus Politik und Wattens und in der (leider) falschen Hoffnung auf mehr Sponsoren sollte Tirol doch im Namen vorkommen. Den Fans gegenüber sprach man von einem „Arbeitstitel“ und man werde sich zu gegebener Zeit mit diesem Thema auseinandersetzen. Man wollte es aussitzen, was nicht gelang.

Wahnsinn

Am 21. Juni 2002 um etwa 14 Uhr wurde der FCW in Fortführung seiner langjährigen Tradition als reiner Mitgliederverein aus der Taufe gehoben. Vier Tage später unterlag die Spielgemeinschaft gegen den SV Wörgl in ihrem ersten Test-Spiel mit 0:5. Aber dann ging es los: Für den Tirol-Ligisten SC Schwaz setzte es gleich ein Dutzend Bummerln. Nicht viel besser erging es dessen Ligakonkurrenten aus Telfs. Da war Wattens/Wacker mit einem halben Duzend Toren noch gnädig. Die erste große Prüfung absolvierte die neuformierte Streiter-Truppe dann vor mehr als 1200 Zuschauer in Wattens gegen den zypriotischen Erstligisten Olympiakos Nikosia. Die Schwarz-Grünen aus Zypern erreichten ein Jahr zuvor immerhin die zweite Runde im Europapokal und schieden dann gegen den FC Brügge knapp aus. Der FCW spielte groß auf und ließ den Zyprioten nicht den Funken einer Chance. Mit dem Endstand von 3:1 waren die noch gut bedient. Da machte die letzte Testspielniederlage gegen den FC Treviso auch nichts mehr aus.

Aber wie sich das dann in der Regionalligameisterschaft 2002/03 entwickelte, berichten wir im nächsten Teil. In jedem Fall sensationell und vielversprechend.